Urteil 4 BvT 1/21

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Das Oberste Gericht entschied in seinem Urteil 4 BvT 1/21 vom 02.03.2021 die Anträge des Klägers abzuweisen und ihm die Verfahrenskosten aufzuerlegen.

Begründet wurde dies damit, dass in der Abwägung der allgemeinen Persönlichkeitsrechte des Klägers und dem Recht auf freue Meinungsäußerung des Beklagten, letzteres überwiege. Der Kläger könne entsprechend keinen Unterlassungs- und/oder Beseitigungsanspruch gegen den Beklagten erwirken.


Verfahrensbeteiligte

Kläger Beklagter
Felix Neuheimer Mijat Russ


Urteil des Obersten Gerichtes

OBERSTES GERICHT

– 4 BvT 1/21 –



IM NAMEN DES VOLKES



In dem Rechtsstreit



des Herrn Felix Neuheimer


g e g e n


Herrn Mijat Russ



über die Anträge


1. festzustellen, dass der Beitrag auf der Plattform "vTwitter" gelöscht bleiben muss, in dem der Beklagte den Kläger als "Nazi" bezeichnet;

2. es dem Beklagten unter Androhung eines Ordnungsgeldes von 5.000,00 € zu untersagen, den Kläger künftig öffentlich als "Nazi" zu bezeichnen;

3. dem Beklagten die Verfahrenskosten aufzuerlegen



hat das Oberste Gericht – Vierter Senat –

unter Mitwirkung der Richterinnen und Richter


Präsident Brandstätter,


Vizepräsidentin Baumgärtner,


Müller



aufgrund der mündlichen Verhandlungen vom 7. bis 20. Februar 2021 durch



Urteil


für Recht erkannt:



1. Die Anträge werden abgewiesen.


2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.



G r ü n d e :



A.


Gegenstand der Klage ist die Veröffentlichung eins Posts des Beklagten auf der Plattform "vTwitter", in dem er den Kläger kritisiert und den er am Ende mit der Aussage "#Nazisraus" versehen hat. Die Parteien streiten um Ansprüche auf Unterlassung, Beseitigung und Auferlegung der Verfahrenskosten.



I.


1. Der Kläger ist ein Mitgründer der Partei "Bund Unabhängiger Wähler". Dazu war er in der vierten Legislaturperiode amtierender Präsident des Bundestages.


2. Der Beklagte veröffentlicht am 13. Januar 2021 um 11:27 Uhr auf der Internetplattform "vTwitter" einen Beitrag mit folgendem Wortlaut:


"Scheinbar steht @KWolff nicht wirklich zu seinem Wort, sonst wäre er wohl nicht einer Partei beigetreten. Ich bin auch vom ehemaligen liberalen und noch Bundestagspräsident Felix Neuheimer enttäuscht, dass er sein politisches Glück scheinbar bei Rechtsextremen sucht, welche die Demokratie verachten. Das ist eine schlechte Entwicklung die wir verfolgen müssen! #Nazisraus"


Anlass des Posts war die Gründung der Partei "Bund Unabhängiger Wähler", welche der Kläger unterstützte. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Posts war der Kläger zudem amtierender Präsident des Deutschen Bundestages.



II.


Der Kläger hält die Anträge für begründet.



1. Der Kläger sieht in der Veröffentlichung des fraglichen Posts eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung. Der Beklagte kritisiere den Kläger für die Mithilfe zur Gründung einer "rechtsextremen" Partei. Die Aussage "#Nazisraus" beziehe sich auf den Kläger persönlich und fordere diesen auf, zu "verschwinden".


2. Der Kläger sieht sich durch diese Aussage in seinem Persönlichkeitsrecht und insbesondere in seiner persönlichen Ehre verletzt. Ferner verstoße die Aussage gegen Art. 2 Abs. 1 GG. Es sei ein schwerwiegender Verstoß gegen das Sittengesetz, einen amtierenden Bundestagspräsidenten als "Nazi" zu bezeichnen. Gem. § 823 Abs. 1 i.V.m. § 1004 Abs. 1 BGB beantragt der Kläger die Durchsetzung des Beseitigungs- bzw. Unterlassungsanspruchs. Wiederholungsgefahr bestehe.




III.


Der Beklagte hält die Anträge für unbegründet.



1. Die Aussage "#Nazisraus" beziehe sich nicht auf den Kläger persönlich. Sie sei eine grundlegende Stellungnahme des Beklagten zur Gründung einer rechtsextremistischen Partei. Der Gründer dieser Partei sei in der Vergangenheit mehrfach durch rechtsextreme Aussagen aufgefallen, weshalb die Aussage von der Meinungsfreiheit gedeckt werde.


2. Auch werde die Aussage "#Nazisraus" vom Kläger missinterpretiert. So habe der Beklagte bereits klargestellt, dass die Aufforderung keine Forderung sei, dass sich die Angesprochenen aus bestimmten Ländern fernhalten sollen, sondern vielmehr eine Forderung zur geistigen Überwindung der Ideologie. Der Beklagte verwies hierzu auf die Aussage auf einem Plakat der ehemaligen Partei "Die Linke", welche lautete: "Nazis Raus: aus den Köpfen!". Ein Verstoß gegen Art. 2 Abs. 2 GG und § 823 Abs. 1 BGB lägen daher nicht vor.




IV.


1. Am 15. Januar erließ das Oberste Gericht einen einstweilige Verfügung gegen den Beklagten, wo ihm aufgegeben wurde, den fraglichen Post vorläufig zu löschen und es ihm vorläufig untersagt wurde, den Kläger öffentlich als "Nazi" zu bezeichnen (Az. 4 BvQ 1/21).




2. Vom 5. bis zum 20. Februar 2021 hörte das Oberste Gericht die Parteien an:


a) aa) Der Beklagte betonte mit Verweis auf das Plakat der ehemaligen Linken, es werde nicht intentioniert, dass sich "Nazis" physisch von bestimmten Orten fernhalten, sondern viel mehr, dass diese eine geistige Überwindung ihres Denkens vollziehen sollten. Der angegriffene Ausruf signalisiere, dass die benannte Ideologie nicht gewünscht und akzeptiert sei. Unterdessen beziehe sich diese gar nicht auf den Kläger persönlich, sondern auf die Partei "Bund Unabhängiger Wähler" als Ganze. Dies sei schon dadurch erkennbar, da es sich bei dem Wort "Nazis" um den Plural handle und sich dieses folglich nur auf eine Personengruppe beziehen könne. Teile dieser Erklärung habe der Beklagte am 13. Januar 2021 bereits vor Zustellung der Klage auf der Plattform vTwitter öffentlich gemacht.


bb) Die Beispiele für die rechtsextreme Gesinnung des Parteigründers seien zahlreich. Als Beispiel führe der Beklagte u. A. an, dass jener öffentlich an der Rassentheorie festhalte, er Anhänger des Monarchismus sei, er Arbeitnehmer als "Untergebene" bezeichne und er auch Mitglied verschiedener rechtsextremer Vereine sei, wie z. B. des Vereines "Nationales Bündnis DEUTSCHLAND e.V.", welcher folgenden Gründungstext vorweise:

"Angesichts dessen das wir Deutschen uns immer mehr an den Rand gedrängt fühlen, soll das Bündnis ein Auffangbecken deren sein, die ihre deutsche Heimat lieben und meinen "DEUTSCHLAND MUSS DEUTSCH BLEIBEN". Wir sind nicht gegen ausländische Touristen oder Gastarbeiter der ersten Stunde, sind aber der Meinung das dieses Land kein Multi-Kulti benötigt. Wir wollen im Gegensatz zu anderen, kein Buntes, sondern ein Deutschland der Deutschen."



b) aa) Der Kläger erkenne an, dass der Gründer des Bundes Unabhängiger Wähler durch rechtsextreme Aussagen in der Öffentlichkeit aufgefallen sei. Er sei dadurch jedoch noch kein "Nazi". Es sei weiter nicht auszuschließen, dass sich die vom Kläger angegriffene Aussage auf den Parteigründer beziehe. Es sei möglich, dass sich diese Aussage mitunter auf den Kläger beziehe.


bb) Der Kläger sieht die Begründung des Beklagten auf vTwitter als unzureichend an, da jene nicht mit dem ursprünglichen Tweet verbunden sei. Dies bedeute, dass nicht jede Person, welche die angegriffene Aussage des Beklagten gelesen hat, auch die Erklärung gesehen hätte. Der Beklagte hätte die Begründung jedoch direkt mit dem Ursprungspost verbinden oder diesen löschen und mit Begründung neu veröffentlichen müssen.




B.


I.


Die Anträge sind zulässig.



1. Das Oberste Gericht ist gem. § 20 Abs. 1 S. 1 vDGB, § 6 Abs. 2 OGG für den Antrag zuständig.


2. Der Zivilrechtsweg ist eröffnet. Kläger und Beklagter sind auch partei- und prozessfähig.


3. Das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers ist unstrittig gegeben.



II.



Die zulässigen Anträge sind jedoch nicht begründet.



Gerügt wird eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers (1.). Bei der angegriffenen Aussage handelt es sich um eine Meinungsäußerung (2.), entsprechend ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers gegen die Meinungsfreiheit des Beklagten aufzuwägen (3.).



1. Der Kläger rügt eine Verletzung seiner persönlichen Ehre bzw. des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.


a) Das Recht der persönlichen Ehre wird dabei im Rahmen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts geschützt. Dieses in Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verankerte allgemeine Persönlichkeitsrecht ergänzt die im Grundgesetz normierten Freiheitsrechte und gewährleistet die engere persönliche Lebenssphäre und die Erhaltung ihrer Grundbedingungen (vgl. BVerfGE 54, 148 <153>). Hierzu gehört der Schutz vor Äußerungen, die geeignet sind, sich abträglich auf das Ansehen der Person, insbesondere ihr Bild in der Öffentlichkeit, auszuwirken (vgl. BVerfGE 114, 339 <346> m.w.N.). Nach der herrschenden Meinung genießt das allgemeine Persönlichkeitsrecht als „sonstiges Recht“ den Schutz des § 823 Abs. 1 BGB. Deswegen besteht für Ehrverletzung grundsätzlich die Möglichkeit, einen Anspruch nach § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 1 und 2 Abs. 1 GG zu verlangen. Zivilrechtlich geschützt ist nur die äußere Ehre, nämlich der Ruf, das Ansehen einer Person in den Augen der anderen. Das subjektive Ehrgefühl einer Person ist hingegen nicht Schutzgegenstand des zivilrechtlichen Ehrenschutzes. Man kann nicht verlangen, in der Öffentlichkeit so dargestellt zu werden, wie man es selbst will. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht gewährleistet entsprechend nicht das Recht, öffentlich so wahrgenommen zu werden, wie es den eigenen Wünschen entspricht (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 6. November 2019 - 1 BvR 16/13 - Recht auf Vergessen I, Rn. 107).


Geht es hingegen um ausschließliche Tatsachenbehauptungen, ist der Wahrheitsgehalt für die Rechtsverletzung entscheidend.



b) Das allgemeine Persönlichkeitsrecht gilt dabei jedoch nicht vorbehaltlos. Es findet seine Schranken gemäß Art. 2 Abs. 1 GG in der verfassungsmäßigen Ordnung einschließlich der Rechte anderer. Zu diesen Rechten gehört auch die Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Unter den Schutz der Meinungsfreiheit fallen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Werturteile und Tatsachenbehauptungen, wenn und soweit sie zur Bildung von Meinungen beitragen (vgl. BVerfGE 85, 1 <15>). Aber auch die Meinungsfreiheit ist nicht vorbehaltlos gewährleistet, sondern findet ihrerseits gemäß Art. 5 Abs. 2 GG ihre Schranken in den allgemeinen Gesetzen (BVerfG, Beschl. v. 11. Dezember 2013 - 1 BvR 194/13 -).




2. Unter Berücksichtigung des hierfür maßgeblichen Rechtsrahmens (a) handelt es sich bei der angegriffenen Äußerung um eine Meinungsäußerung (b).



a) Hinsichtlich der Bewertung, ob die angegriffene Aussage als Tatsachenbehauptung oder Meinungsäußerung einzustufen ist, ist folgender Rechtsrahmen streitsentscheidend:


aa) Tatsachenbehauptungen unterscheiden sich von Werturteilen dadurch, dass bei diesen die subjektive Beziehung zwischen der Äußerung und der Wirklichkeit im Vordergrund steht, während für jene die objektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Äußerung charakteristisch ist (vgl. BVerfG, NJW 2000, 199, 200 m. w. N.). Tatsachenbehauptungen werden durch die objektive Beziehung zwischen der Äußerung und der Wirklichkeit charakterisiert und sind der Überprüfung mit Mitteln des Beweises zugänglich (vgl. BVerfGE 94, 1 <8>), was bei Meinungsäußerungen ausscheidet, weil sie durch die subjektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Aussage geprägt sowie durch das Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens gekennzeichnet werden und sich deshalb nicht als wahr und unwahr erweisen lassen (vgl. BVerfGE 85, 1 <14>, BGH, Urteil vom 23.02.1999, VI ZR 140/98).


bb) Meinungsäußerungen stehen dabei grundsätzlich ohne Rücksicht auf ihre Qualität, insbesondere auch ihre Richtigkeit unter dem Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG und dürfen nur in eng begrenzten Ausnahmefällen, etwa wenn sie beleidigenden oder schmähenden Charakter haben, untersagt werden. Eine Äußerung nimmt den Charakter einer Schmähung jedoch erst dann an, wenn in ihr nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person des Gegners im Vordergrund steht und sie jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik in der Herabsetzung der Person des Gegners besteht; eine für den Betroffenen herabsetzende Wirkung reicht nicht aus (vgl. BGH VI ZR 14/07; VI ZR 51/99; VI ZR 276/99; VI ZR 298/03; BVerfGE 82, 272, 284; 93, 266, 294; BVerfG, NJW 1991, 95, 96; 1991, 1475, 1477; 1993, 1462; 2003, 3760; 2004, 590, 591; 2013, 3021; Az: 1 BvR 444/13). Auch eine überzogene oder gar ausfällige Kritik macht eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Sie liegt bei einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage nur ausnahmsweise vor und ist eher auf die Privatfehde beschränkt (vgl. BVerfGE 93, 266 <294>). Auch soweit eine Meinungsäußerung keine Schmähung darstellt, kann sich aus der gebotenen Abwägung der beteiligten Grundrechte eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts ergeben (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24. Mai 2006 - 1 BvR 49/00, 1 BvR 55/00, 1 BvR 2031/00 -, Rn. 43, juris).


cc) Eine Trennung der tatsächlichen und der wertenden Bestandteile einer Äußerung ist nur zulässig, wenn dadurch ihr Sinn nicht verfälscht wird. Wo dies nicht möglich ist, muss die Äußerung im Interesse eines wirksamen Grundrechtsschutzes insgesamt als Meinungsäußerung angesehen werden, weil andernfalls eine wesentliche Verkürzung des Grundrechtsschutzes drohte (BVerfG, Beschl. v. 29.06.2016 - 1 BvR 2732/15, Rn. 12; BVerfG, Beschl. v. 28.03.2017 - 1 BvR 1384/16, Rn. 15). Beinhaltet die angegriffene Äußerung daher auch tatsächliche Elemente, ist darauf abzustellen, ob diese derart eng mit den wertenden Aussagen verbunden sind, dass sie nicht aus dem Zusammenhang gerissen und isoliert betrachtet werden dürfen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 07.12.2011 - 1 BvR 2678/10, Rn. 39).


dd) Maßgeblich für die Deutung einer Äußerung ist die Ermittlung ihres objektiven Sinns aus Sicht eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums. Dabei ist stets vom Wortlaut der Äußerung auszugehen. Dieser legt ihren Sinn aber nicht abschließend fest. Er wird vielmehr auch von dem sprachlichen Kontext, in dem die umstrittene Äußerung steht und von den erkennbaren Begleitumständen, unter denen sie fällt, bestimmt. Die isolierte Betrachtung eines umstrittenen Äußerungsteils wird den Anforderungen an eine tragfähige Sinnermittlung regelmäßig nicht gerecht (BVerfG, Beschl. v. 12. Mai 2009 - 1 BvR 2272/04 -, NJW 2009, S. 3016 m.w.N.).



b) Nach diesen Maßgaben handelt es sich bei der streitgegenständlichen Aussage um eine Meinungsäußerung. Die Aussage dient vordergründig offensichtlich nicht einer objektiven Information des Lesers oder der Darstellung einer durch Beweise überprüfbaren Tatsache. Viel mehr handelt es sich bei der Aussage des Beklagten um ein Werturteil, das er für sich selbst gefällt hat und welches er öffentlich plakatiert. Er bezieht dabei persönlich Stellung zu einem bestimmten Vorfall, namentlich die Gründung der Partei "Bund Unabhängiger Wähler" und teilt auch zweifelsohne mit, dass er den Beklagten bzw. die Mitglieder der besagten Partei für "Nazis" hält. Die Überprüfung der Richtigkeit dieser Behauptung ist keinen einschlägigen Beweisen zugänglich, da die subjektiv empfundene Reichweite der Bedeutung des Begriffes "Nazi" an sich schon so weit divergiert, dass es kaum zu beweisen ist, welche Person nun im Zuge einer Tatsachenbehauptung objektiv tatsächlich als "Nazi" bezeichnet werden dürfte und welche nicht. Eine feste Definition des Begriffes ist nicht existent, da er zwar einerseits salopp als Abkürzung für die ehemaligen Mitglieder der NSDAP verwendet wird, andererseits aber auch der Beleidigung dienen kann. Weiter werden oft auch konservativ eingestellte Personen von Progressiven oftmals verallgemeinernd als "Nazis" eingestuft, ohne dass diese Behauptung einer fundierten Begründung zugänglich wäre. Eine Bezeichnung einer Person als "Nazi" ist insoweit im Regelfall als Meinungsäußerung anzusehen. Soweit die Aussage jedoch auch tatsächliche Bestandteile enthält, so ist sie insgesamt im Sinne des vollumfänglichen Grundrechtsschutzes dennoch als Meinungsäußerung zu klassifizieren, da sie aufgrund der o. g. Gründe nicht für sich isoliert betrachtet werden darf.




3. Wird der streitsentscheidende Rechtsrahmen für die Abwägung der Rechte von Kläger und Beklagtem (a) und die für die Entscheidung maßgebliche Aussage des Beklagten (b) berücksichtigt, so fällt die Abwägung zu Lasten des Klägers aus (c).



a) Es ist geboten, bei der Entscheidung über den Unterlassungsantrag zwischen dem Recht des Klägers auf Schutz seiner Persönlichkeit aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG und dem in Art. 5 Abs. 1 GG verankerten Recht des Beklagten auf freie Meinungsäußerung abzuwägen. Ob dem Kläger der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zusteht, ist mithin aufgrund einer Abwägung der Interessen des Klägers - also hier seines Rechtes auf Schutz seiner Persönlichkeit und seiner Ehre aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG; Art. 8 Abs. 1 EMRK - einerseits und dem Recht der Beklagten auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG; Art. 10 EMRK) andererseits zu entscheiden (vgl. BGH, Urteil vom 13.11.2012 - VI ZR 330/11, Rn. 9; BGH, Urteil vom 16.12.2014 - VI ZR 39/14, Rn. 16; BGH, Urteil vom 13.01.2015 - VI ZR 386/13, Rn. 13). Entsprechendes gilt für den Beseitigungsanspruch.


aa) (1) Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalls sowie die betroffenen Grundrechte interpretationsleitend zu berücksichtigen sind (BGH, Urteile vom 9. Dezember 2003 - VI ZR 373/02, VersR 2004, 522, 523 m. w. N.; vom 20. April 2010 - VI ZR 245/08, NJW 2010, 2728 Rn. 12). Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (BGH, Urteil vom 9. Februar 2010 - VI ZR 243/08, VersR 2010, 673 Rn. 14 - Onlinearchiv II; vom 20. April 2010 - VI ZR 245/08). Dies verlangt grundsätzlich eine Abwägung zwischen der Schwere der Persönlichkeitsbeeinträchtigung durch die Äußerung einerseits und der Einbuße an Meinungsfreiheit durch ihr Verbot andererseits (vgl. BVerfGE 99, 185 <196 f.>; 114, 339 <348>). Das Ergebnis der Abwägung ist verfassungsrechtlich nicht vorgegeben und hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl. BVerfGE 85, 1 <16>; 99, 185 <196 f.>).


(2) Zu beachten ist indes, dass Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht nur sachlich-differenzierte Äußerungen schützt, sondern gerade Kritik auch pointiert, polemisch und überspitzt erfolgen darf; insoweit liegt die Grenze zulässiger Meinungsäußerungen nicht schon da, wo eine polemische Zuspitzung für die Äußerung sachlicher Kritik nicht erforderlich ist (vgl. BVerfGE 82, 272 <283 f.>; 85, 1 <16>). Liegt ein offensichtlicher Fall von Schmähkritik vor, ist ausnahmsweise keine Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem Persönlichkeitsrecht notwendig, weil die Meinungsfreiheit regelmäßig hinter den Ehrenschutz zurücktreten wird (vgl. BVerfGE 82, 43 <51>; 90, 241 <248>; 93, 266 <294>). Diese für die Meinungsfreiheit einschneidende Folge gebietet es aber, hinsichtlich des Vorliegens von Formalbeleidigungen und Schmähkritik strenge Maßstäbe anzuwenden (vgl. BVerfGE 93, 266 <294>). Die Qualifikation einer ehrenrührigen Aussage als Schmähkritik und der damit begründete Verzicht auf eine Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und Ehre erfordern regelmäßig die Berücksichtigung von Anlass und Kontext der Äußerung (vgl. BVerfGE 93, 266 <303>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 23. August 2005 - 1 BvR 1917/04 -, juris, Rn. 22).



bb) (1) Da es der Sinn jeder zur Meinungsbildung beitragenden öffentlichen Äußerung ist, Aufmerksamkeit zu erregen, sind angesichts der heutigen Reizüberflutung einprägsame, auch starke Formulierungen hinzunehmen. Das gilt auch für Äußerungen, die in scharfer und abwertender Kritik bestehen, mit übersteigerter Polemik vorgetragen werden oder in ironischer Weise formuliert sind. Der Kritiker darf seine Meinung grundsätzlich auch dann äußern, wenn sie andere für „falsch“ oder für „ungerecht“ halten (BGH, Urteil vom 05.12.2006 - VI ZR 45/05, Rn. 18). Das Recht, seine Meinung frei zu äußern, besteht grundsätzlich unabhängig davon, ob die Äußerung richtig oder falsch ist (BVerfG, Beschluss vom 22.06.1982 - 1 BvR 1376/79, Rn. 13).


(2) Vor diesem Hintergrund ist es grundsätzlich ausreichend, wenn die Bewertung auf objektive Anknüpfungstatsachen zurückgeführt werden kann (OLG Saarbrücken, Urteil vom 04.06.2014 - 5 U 81/13, Rn. 60). Das Fehlen jeglicher tatsächlicher Bezugspunkte, auf die sich die Meinung stützen könnte, kann hingegen ein Indiz dafür darstellen, dass die Meinungsäußerung nicht gerechtfertigt ist (OLG Stuttgart, Urteil vom 08.02.2017 - 4 U 166/16, Rn. 95). Im Rahmen der Abwägung ist insbesondere maßgeblich, ob die in den Werturteilen enthaltenen Tatsachenbehauptungen zutreffen oder ohne jeden Anhaltspunkt aufgestellt worden sind (BVerfG, Beschl. v. 09.10.1991 - 1 BvR 1555/88, Rn. 60).


Dessen ungeachtet kann bei der Abwägung der Rechtspositionen die Richtigkeit oder Haltlosigkeit der in der Meinungsäußerung enthaltenen tatsächlichen Elemente eine Rolle spielen. Soweit sie Bestandteil einer Meinungsäußerung sind, sind unrichtige Informationen zwar nicht von vornherein dem Schutz des Grundrechts entzogen. Sie können aber regelmäßig keinen Vorrang vor den kollidierenden Rechtsgütern Dritter beanspruchen (BVerfG, Beschl. v. 09.10.1991 - 1 BvR 1555/88, Rn. 58).


(a) Es ist daher verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, bei einer Meinungsäußerung, die wertende und tatsächliche Bestandteile enthält, im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen, dass die Tatsachenbehauptung, auf der die Wertung aufbaut, unrichtig ist (BVerfG, Beschl. v. 16.07.2003 - 1 BvR 1172/99, Rn. 26). Folgerichtig fällt im Rahmen von zivilrechtlichen Unterlassungsklagen bei Äußerungen, in denen sich wertende und tatsächliche Elemente in der Weise vermengen, dass die Äußerung insgesamt als Werturteil anzusehen ist, bei der Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen der Wahrheitsgehalt der tatsächlichen Bestandteile ins Gewicht. Enthält die Meinungsäußerung einen erwiesen falschen oder bewusst unwahren Tatsachenkern, so tritt das Grundrecht der Meinungsfreiheit regelmäßig hinter den Schutzinteressen des von der Äußerung Betroffenen zurück (BGH, Urteil vom 04.04.2017 - VI ZR 123/16, Rn. 27), denn an der Aufrechterhaltung und Weiterverbreitung herabsetzender Tatsachenbehauptungen, die unwahr sind, besteht unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit kein schützenswertes Interesse (BGH, Urteil vom 16.12.2014 - VI ZR 39/14, Rn. 21). Daher fällt die Richtigkeit des tatsächlichen Äußerungsgehalts, der dem Werturteil zu Grunde liegt, regelmäßig bei der Abwägung ins Gewicht (BGH, Urteil vom 11.03.2008 - VI ZR 7/07, Rn. 13).


(b) Vorgenannte Grundsätze gelten insbesondere dann, wenn die Äußerungen einen Tatsachenkern haben, auf dessen Erweislichkeit seitens des Äußernden es maßgeblich ankommt. In diesen Fällen ist der Frage der Richtigkeit oder Unrichtigkeit des tatsächlichen Äußerungsgehalts der Äußerung nachzugehen, weil die Beantwortung dieser Frage einen Einfluss auf den Abwägungsvorgang hat (BVerfG, Beschl. v. 07.12.2011 - 1 BvR 2678/10, Rn. 41, 43).


(c) Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte verlangt in Fällen, in denen sich eine Äußerung als Werturteil darstellt, eine ausreichende Tatsachengrundlage, anderenfalls wäre sie überzogen (EGMR, Urteil vom 17.12.2004 - 49017/99, Rn. 76 - Pedersen u. Baadsgaard/Dänemark) bzw. übermäßig (EGMR, Urteil vom 20.09.2018 - 3682/10, Rn. 34 - Annen/Deutschland Nr. 2).



cc) Die Verurteilung zur Unterlassung einer Äußerung muss dabei aber im Interesse des Schutzes der Meinungsfreiheit auf das zum Rechtsgüterschutz unbedingt Erforderliche beschränkt werden (vgl. BVerfGK 2, 325 <329>). Derjenige, der sich mit verschiedenen Stellungnahmen in die öffentliche Diskussion eingeschaltet hat, muss eine scharfe Reaktion grundsätzlich auch dann hinnehmen, wenn sie sein Ansehen mindert (vgl. BVerfGE 54, 129 <138>; BVerfG, Beschl. v. 8. April 1999 - 1 BvR 2126/93 -, NJW 1999, S. 2358).



b) Maßgeblich für diese Abwägung ist angegriffene Aussage "#Nazisraus", respektive die Bezeichnung einer Person oder Personengruppe als "Nazi".


aa) Der Aussagegehalt der Bezeichnung einer Person als „Nazi“ ist abhängig vom jeweiligen Gebrauch, insbesondere vom Gesamtzusammenhang des Textes (OLG Stuttgart, Urteil vom 23.09.2015 - 4 U 101/15, Rn. 106). Dieser Begriff enthält eindeutig Elemente eines Werturteils, denn er stellt gewöhnlich eine schlagwortartige Qualifizierung einer politischen Einstellung oder Geisteshaltung einer Person dar. Die plakative Bewertung tatsächlicher Vorgänge oder Umstände ist aber ein Werturteil und mithin eine Meinungsäußerung. Dies schließt es allerdings nicht aus, dass sich je nach den Umständen des konkreten Einzelfalls aus dem Kontext ergibt, dass mit der Bezeichnung einer Person als „Nazi“ eine dem Wahrheitsbeweis zugängliche Tatsache behauptet wird, etwa dann, wenn eine - gegebenenfalls frühere - Parteizugehörigkeit behauptet wird (OLG Stuttgart, a.a.O. Rn. 107).


bb) Der Begriff „Nazi“ lässt bei isolierter Betrachtungsweise schon wegen der Weite seines Bedeutungsgehaltes verschiedenste Verwendungsweisen zu, die von einer streng historischen Terminologie bis zum substanzlosen Schimpfwort reichen. Wenn sich ein Text nicht auf die Bezeichnung einer Person als „Nazi“ beschränkt, sondern im Zusammenhang mit der Darstellung eines konkreten Vorfalls und seines Hintergrundes steht, dient die Bezeichnung dazu, die Tat als Ausdruck der Gesinnung dieser Person darzustellen (BVerfG, Beschl. v. 19.12.1991 - 1 BvR 327/91, Rn. 34, OLG Nürnberg, Endurteil vom 22.10.2019, Az. 3 U 1523/18).



c) Nach diesen Maßstäben haben die Anträge zu 1. und 2. keinen Erfolg. In der vorzunehmenden Abwägung überwiegt das Recht auf freie Meinungsäußerung des Beklagten.


aa) Ein Fall von Schmähkritik, welcher eine Abwägung zwischen allgemeinem Persönlichkeitsrecht und Recht auf freie Meinungsäußerung hinfällig machen würde, liegt nicht vor. Schmähenden Charakter hat eine Aussage vor allem dann, wenn sie vordergründig der Diffamierung einer Person dient. Auch überspitze oder polemische Kritik machen eine Aussage noch nicht zur Schmähung. Insoweit ist die streitgegenständliche Aussage nicht als Schmähkritik einzustufen, da sie insgesamt nicht in ersichtlicher Weise vordergründig darauf abzielt, den Kläger persönlich öffentlich zu diffamieren und weiter kontextuell auch eine geeignete sachliche Auseinandersetzung mit der angeprangerten Thematik erkennbar ist. Indes ist bei der Einstufung einer Aussage als Schmähung ein strenger Maßstab anzulegen. Dies gilt insbesondere dann, wenn es sich um eine öffentliche Aussage handelt, da solche eben auch maßgeblich dazu benutzt werden können, Aufmerksamkeit zu erregen und deshalb nur selten primär darauf abzielen eine bestimmte Person persönlich in einer Art zu beleidigen, die als Schmähung anzusehen ist. Ein solcher Fall liegt auch vorliegend nicht ausnahmsweise vor, auch weil der Beklagte glaubhaft darlegt, dass die Aussage gar nicht speziell an den Kläger selbst gerichtet ist, sondern viel mehr auf die Gruppe der Mitglieder des neu gegründeten Bundes Unabhängiger Wähler und deren politische Ansichten und Ziele. Auch der Kläger selbst sieht ein, dass die Aussage zwar nicht vordergründig ihn persönlich, jedoch ihn unter anderem trifft, was ein weiteres Indiz dafür ist, dass eine Einstufung der steitgegenständlichen Aussage als Schmähkritik zu verneinen ist.


bb) In begründeten Ausnahmefällen kann das Recht auf Meinungsfreiheit dennoch hinter das allgemeine Persönlichkeitsrecht zurücktreten. Ein solcher Fall liegt jedoch vorliegend ebenso nicht vor.


(1) Starke und einprägsame Formulierungen, wie etwa auch der Begriff "Nazi", sind in der heutigen Zeit prinzipiell hinzunehmen, soweit ihnen kein grob ehrenverletzender Charakter zugrunde liegt. Auch scharfe und mitunter abwertende Kritik ist von diesem Verständnis der Meinungsfreiheit grundsätzlich erfasst. Dabei kann die hier streitgegenständliche Aussage auch an hinreichend nachvollziehbare Tatsachengrundlagen anknüpfen. Der Beklagte verwendet den Begriff "Nazi" ersichtlich nicht in einer grob beleidigenden oder ehrverletzenden Art, sondern viel mehr als Sammelbegriff für eine Gruppe von Personen mit politisch rechts anzuordnenden Zielen und Werten. Es ist dabei nicht maßgeblich, ob der Kläger solche Ziele oder Gedanken auch tatsächlich vertritt, da dem Gericht eine Überprüfung dieser Tatsachen gar nicht zugänglich wäre. Viel mehr ist ausschlaggebend, dass der Kläger sich im Bewusstsein der Konsequenzen für den Eintritt in eine Partei entschieden hat, dessen Gründer politische Ansichten vertritt, welche von einem Großteil der Bevölkerung als ultrakonservativ und nationalistisch angesehen werden. Dies unterstreicht, dass die Aussage des Beklagten nicht aus der Luft gegriffen und ohne jeglichen tatsächlichen Anhaltspunkt getätigt worden ist, sondern dass dieser sich eben bewusst aufgrund dieser Tatsachen für die Sammlung der Parteimitglieder des Bundes Unabhängiger Wähler unter dem überspitzten Begriff "Nazi" entschieden hat, was aufgrund der bereits gemachten Ausführungen insgesamt auch nicht zu beanstanden ist, da der Begriff "Nazi" einen weiten möglichen Bedeutungsrahmen eröffnet. Wie bereits dargestellt macht alleine die Verwendung des Begriffes "Nazi" eine Aussage für sich noch nicht zur Beleidigung oder Ehrverletzung. Eine solche muss sich regelmäßig auch aus der kontextuellen Zusammenschau der Begleitumstände und des gesamten Textes, in diesem Fall des gesamten Posts, ergeben und ist vorliegend jedenfalls nicht erkennbar. Viel mehr ist das Setzen eines allgemeinen politischen Statements und nicht der Angriff einer bestimmten Person als vordergründige Intention des Beklagten nachvollziehbar dargelegt worden und die Argumentation desselben insoweit in sich schlüssig.


(2) Die Beurteilung des Grades des Wahrheitsgehaltes der getätigten Aussage ist insoweit nur schwer möglich, da dem Begriff "Nazi" wie bereits ausgeführt ein besonders breites Bedeutungssprektum zugemessen werden kann. Vorliegend erscheinen die dargestellten Gründe des Beklagten, welche insgesamt auch vom Kläger mitgetragen werden, jedoch hinreichend um eine Rechtfertigung der Verwendung des Begriffes annehmen zu können. Der Kläger musste von der politischen Einstellung des Parteigründers jedenfalls Kenntnis haben und entsprechend mit teils auch scharfern Wortgefechten rechnen und somit auch überspitzte Kritik, die mitunter ihn selbst trifft, hinnehmen. Jedenfalls ist ein bewusstes Verbreiten wissentlich falscher Informationen durch den Kläger zu verneinen. Entsprechend kann der Beklagte ein schützenswertes Interesse im Sinne des Rechts auf freie Meinungsäußerung geltend machen.


(3) Auch die Argumentation des Klägers, die angegriffene Aussage wiege besonders schwer, da er zum Zeitpunkt der Veröffentlichung noch Präsident des Deutschen Bundestages gewesen sei, ändert daran nichts. Die Position, die der Kläger zum fraglichen Zeitpunkt inne hatte, ist für das vorliegende Verfahren nur von geringer Bedeutung. Auch Inhaber staatlicher Ämter sind von Gesetzes wegen im Zivilprozess nicht grundsätzlich umfassender geschützt als andere. Die Tatsache, das der Kläger Bundestagspräsident war, mindert nicht automatisch die Voraussetzungen, um einen Beseitigungs- oder Unterlassungsanspruch erwirken zu können. Zu betrachten gilt es hinsichtlich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts allenfalls die Folgen, die für den Kläger persönlich und aufgrund seiner Stellung wegen der behaupteten Bezeichnung als "Nazi" eintreten könnten. Jedoch sind keine solchen grob nachteiligen Folgen ersichtlich bzw. legt der Kläger solche befürchteten schweren Nachteile, wie eine Entstehung eines groben Schadens für seinen öffentlichen Ruf und seine Ehre nicht so substantiiert dar, als dass es ausreichend konkrete Anhaltspunkte hierfür gebe. Allein die Tatsache, dass die angegriffene Aussage dem Leser vermitteln könnte, der Kläger sei tatsächlich ein "Nazi", ist ob des dargelegten weiten Bedeutungssprektums des Begriffes nicht hinreichend, um einen Eingriff in die Meinungsfreiheit des Beklagten zu rechtfertigen.


cc) Insgesamt legt der Beklagte auch die Bedeutung seiner Aussage in schlüssiger Art und Weise dar. Das Bezug nehmen auf das Plakat der ehemaligen Partei "Die Linke" und dessen Bedeutung lässt sich unstrittig auch auf die Intention des Beklagten und dessen Aussage projizieren und ist auch kontextuell ableitbar. Dazu wäre auch eine reine Aufforderung an den Kläger "zu verschwinden", insgesamt entgegen der Auffassung des Klägers nicht zu beanstanden, da eine solche Aussage keiner schwerwiegenden Beleidigung oder Ehrverletzung gleichsteht, die eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts indizieren würde und diese somit unstrittig von dem Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt wird.


dd) Aufgrund der obigen Ausführungen ist auch der vom Kläger behauptete Verstoß des Beklagten gegen das Sittengesetz zu verneinen. Das Sittengesetz an sich kann als Sammlung der naturrechtlichen Minimalia der Anforderungen an Gesetze und deren Inhalte angesehen werden, welche schließlich durch die verfassungsmäßige Ordnung konkretisiert wurden. Das Sittengesetz hat als Teil des Schrankentrias des Art. 2 Abs. 2 GG somit keinen tiefere praktische Bedeutung mehr, da die geltende verfassungsmäßige Ordnung dieses Sittengesetz insgesamt konkretisiert und noch weiter eingrenzt. Die prinzipielle und dabei sogar weitreichendere Frage, welche insofern lauten müsste, ob der Beklagte insgesamt gegen die verfassungsmäßige Ordnung verstoßen hat, ist aufgrund der oben stehenden Ausführungen dabei ohnehin zu verneinen.


Insgesamt ist festzustellen, dass die angegriffene Aussage von der Meinungsfreiheit gedeckt wird und das Interesse des Klägers nach der Abwägung zwischen allgemeinem Persönlichkeitsrecht und dem Recht auf freie Meinungsäußerung hinten anzustehen hat.




C.


Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.



Das Urteil ist unanfechtbar.




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