vB-Wiki:Gesetzesarchiv/Vierte Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflegebranche

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Vierte Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflegebranche
Kurztitel Vierte Pflegearbeitsbedingungenverordnung
Abkürzung 4. PflegeArbbV
Art Bundesverordnung
Geltungsbereich Bundesrepublik Deutschland
Rechtsmaterie Gesundheitsrecht
Erlassen am 25. Mai 2020 BGBl. S. 1
Inkrafttreten am 1. Mai 2020



Die Gesetzesarchiv/Vierte Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflegebranche (kurz 4. PflegeArbbV), auch Vierte Pflegearbeitsbedingungenverordnung wurde am 25. Mai von Bundesarbeitsministerin Henriette Kaiser erlassen. Sie kam im Zuge der Coronakrise zustande und sieht u. a. die schrittweise Erhöhung des Pflegemindestlohns vor.

Im Wortlaut

Vierte Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflegebranche

(Vierte Pflegearbeitsbedingungenverordnung - 4. PflegeArbbV)


Vollzitat: "Vierte Pflegearbeitsbedingungenverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Mai 2020 (BGBl. S. 1)"



Vom 25. Mai 2020


Auf Grund des § 11 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 und 3 sowie mit § 25 des Arbeitnehmer- Entsendegesetzes, von denen § 11 Absatz 1 durch Artikel 1 Nummer 3 des Gesetzes vom 22. November 2019 (BGBI. l S. 1756) geändert und § 25 durch Artikel 1 Nummer 7 des Gesetzes vom 22. November 2019 (BGBI. l S. 1756) neu gefasst worden ist, verordnet das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, nachdem es den in den Geltungsbereich dieser Rechtsverordnung fallenden Arbeitgebern und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie den Parteien von Tarifverträgen, die zumindest teilweise in den fachlichen Geltungsbereich dieser Rechtsverordnung fallen, und paritätisch besetzten Kommissionen, die auf der Grundlage kirchlichen Rechts Arbeitsbedingungen für den Bereich kirchlicher Arbeitgeber in der Pflegebranche festlegen, Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme gegeben hat:


§1

Geltungsbereich


(1) Diese Verordnung gilt für Pflegebetriebe. Dies sind Betriebe und selbstständige Betriebsabteilungen, die überwiegend ambulante, teilstationäre oder stationäre Pflegeleistungen oder ambulante Krankenpflegeleistungen für Pflegebedürftige im Sinne des § 10 Satz 3 des Arbeitnehmer- Entsendegesetzes erbringen. Keine Pflegebetriebe im Sinne der Sätze 1 und 2 sind Einrichtungen, in denen die Leistungen zur medizinischen Vorsorge, zur medizinischen Rehabilitation, zur Teilhabe am Arbeitsleben oder am Leben in der Gemeinschaft, die schulische Ausbildung oder die Erziehung kranker oder behinderter Menschen im Vordergrund des Zwecks der Einrichtung stehen, sowie Krankenhäuser.

(2) Diese Verordnung gilt für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Sie gilt nicht für Auszubildende nach dem Berufsbildungsgesetz und nach dem Pflegeberufegesetz und nicht für Pflegeschülerinnen und Pflegeschüler.

(3) Diese Verordnung gilt nicht für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Pflegebetriebe in folgenden Bereichen:

1. in der Verwaltung,

2. in der Haustechnik,
3. in der Küche,
4. in der hauswirtschaftlichen Versorgung,
5. in der Gebäudereinigung,
6. im Bereich des Empfangs- und Sicherheitsdienstes, 7. in der Garten- und Geländepflege, 8. in der Wäscherei sowie
9. in der Logistik.

(4) Abweichend von Absatz 3 gilt diese Verordnung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nach Absatz 3, soweit sie im Rahmen der von ihnen auszuübenden Tätigkeiten in einem Umfang von mindestens 25 Prozent ihrer vereinbarten Arbeitszeit gemeinsam mit Bezieherinnen und Beziehern von Pflegeleistungen tagesstrukturierend, aktivierend, betreuend oder pflegend tätig werden, insbesondere als:

1. Alltagsbegleiterinnen und -begleiter, 2. Betreuungskräfte, 3. Assistenzkräfte oder
4. Präsenzkräfte.

(5) Diese Verordnung gilt für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland.


§2

Mindestentgelt


(1) Das Mindestentgelt beträgt im Gebiet der Länder Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Schleswig- Holstein

– ab dem 1. Mai 2020: 11,35 Euro brutto je Stunde

– ab dem 1. Juli 2020: 11,60 Euro brutto je Stunde

– ab dem 1. April 2021: 11,80 Euro brutto je Stunde

– ab dem 1. September 2021: 12,00 Euro brutto je Stunde und

– ab dem 1. April 2022: 12,55 Euro brutto je Stunde.

Für Pflegekräfte mit einer mindestens einjährigen Ausbildung und einer entsprechenden Tätigkeit beträgt das Mindestentgelt abweichend von Satz 1

– ab dem 1. April 2021: 12,50 Euro brutto je Stunde und

– ab dem 1. April 2022: 13,20 Euro brutto je Stunde.

Für Pflegefachkräfte beträgt das Mindestentgelt abweichend von den Sätzen 1 und 2

– ab dem 1. Juli 2021: 15,00 Euro brutto je Stunde und

– ab dem 1. April 2022: 15,40 Euro brutto je Stunde.

(2) Das Mindestentgelt beträgt im Gebiet der Länder Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen- Anhalt und Thüringen

– ab dem 1. Mai 2020: 10,85 Euro brutto je Stunde

– ab dem 1. Juli 2020: 11,20 Euro brutto je Stunde

– ab dem 1. April 2021: 11,50 Euro brutto je Stunde

– ab dem 1. September 2021: 12,00 Euro brutto je Stunde und

– ab dem 1. April 2022: 12,55 Euro brutto je Stunde

Für Pflegekräfte mit einer mindestens einjährigen Ausbildung und einer entsprechenden Tätigkeit beträgt das Mindestentgelt abweichend von Satz 1

– ab dem 1. April 2021: 12,20 Euro brutto je Stunde

– ab dem 1. September 2021: 12,50 Euro brutto je Stunde und

– ab dem 1. April 2022: 13,20 Euro brutto je Stunde.

Für Pflegefachkräfte beträgt das Mindestentgelt abweichend von den Sätzen 1 und 2

– ab dem 1. Juli 2021: 15,00 Euro brutto je Stunde und

– ab dem 1. April 2022: 15,40 Euro brutto je Stunde.

(3) Pflegefachkräfte sind Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die über eine Qualifikation verfügen, die sie zur Ausübung von Tätigkeiten gemäß § 4 des Pflegeberufegesetzes berechtigt.

(4) Pflegekräfte mit einer mindestens einjährigen Ausbildung sind Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die eine Ausbildung zu einem Assistenz- und Helferberuf oder eine vergleichbare Ausbildung in der Pflege abgeschlossen haben. Die Ausbildungsdauer muss mindestens den Vorgaben der Nummer 2 der „Eckpunkte für die in Länderzuständigkeit liegenden Ausbildungen zu Assistenz- und Helferberufen in der Pflege“ (BAnz AT 17.02.2016 B3) entsprechen. Die Ausbildung kann im Ausland abgeschlossen worden sein. Eine entsprechende Tätigkeit liegt vor, wenn die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer zumindest auch in Nummer 1 Buchstabe g der „Eckpunkte für die in Länderzuständigkeit liegenden Ausbildungen zu Assistenz- und Helferberufen in der Pflege“ genannte Tätigkeiten auf Anweisung des Arbeitgebers durchführt.

(5) Das nach den Absätzen 1 und 2 maßgebliche Mindestentgelt wird auch für Wegezeiten zwischen mehreren aufzusuchenden Patientinnen oder Patienten sowie gegebenenfalls für Wegezeiten zwischen diesen und den Geschäftsräumen des Pflegebetriebs gezahlt.

(6) Für Zeiten des Bereitschaftsdienstes wird ein Mindestentgelt gemäß den nachstehenden Grundsätzen gezahlt. Die monatlich ausgezahlte Bruttovergütung geteilt durch die geleisteten Arbeitsstunden einschließlich der Bereitschaftsstunden muss stets mindestens die jeweilige Höhe des gesetzlichen Mindestlohns nach dem Mindestlohngesetz erreichen. Bereitschaftsdienste im Sinne dieser Verordnung leisten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die sich auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb ihrer regelmäßigen Arbeitszeit an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle aufhalten, um im Bedarfsfall die Arbeit aufzunehmen, wenn zu erwarten ist, dass zwar Arbeit anfällt, erfahrungsgemäß aber die Zeit ohne Arbeitsleistung mindestens 75 Prozent beträgt. Bereitschaftsdienste sind im Dienstplan zu hinterlegen. Zum Zweck der Entgeltberechnung kann die Zeit des Bereitschaftsdienstes einschließlich der geleisteten Arbeit auf der Grundlage einer kollektivrechtlichen oder einer schriftlichen einzelvertraglichen Regelung mit mindestens 40 Prozent als Arbeitszeit bewertet werden. Zeiten des Bereitschaftsdienstes, die über 64 Stunden im Kalendermonat hinausgehen, werden mit dem Mindestentgelt nach den Absätzen 1 und 2 vergütet. Das Gleiche gilt, wenn die Arbeitsleistung innerhalb eines Bereitschaftsdienstes mehr als 25 Prozent umfasst.

(7) Von dieser Verordnung werden Zeiten der Rufbereitschaft nicht erfasst. Rufbereitschaft im Sinne dieser Verordnung leisten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die sich auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer dem Arbeitgeber anzuzeigenden Stelle aufhalten, um auf Abruf die Arbeit aufzunehmen. Das Vorliegen von Rufbereitschaft wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vom Arbeitgeber mit einem Mobiltelefon oder einem vergleichbaren technischen Hilfsmittel ausgestattet sind. Im Fall einer Arbeitsaufnahme wird die geleistete Arbeitszeit einschließlich der hierfür erforderlichen Wegezeiten mindestens in Höhe des Mindestentgelts nach den Absätzen 1 und 2 vergütet.

(8) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Sinne des Absatzes 3 dürfen bis zum 30. Juni 2021 keine geringeren Mindestentgeltsätze als den Pflegekräften nach Absatz 4 gezahlt werden.

(9) Die Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes bleiben unberührt.


§3

Fälligkeit


(1) Das in § 2 Absatz 1 und 2 festgelegte Mindestentgelt wird für die Zeit bis zum 30. April 2021 spätestens zum 15. des Monats fällig, der auf den Monat folgt, für den das Mindestentgelt zu zahlen ist. Für die Zeit ab dem 1. Mai 2021 wird das Mindestentgelt für die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit spätestens am letzten Bankarbeitstag des Monats fällig, in dem die Arbeitsleistung zu erbringen war. Im Übrigen wird das Mindestentgelt für die Zeit ab dem 1. Mai 2021 spätestens am letzten Bankarbeitstag des jeweiligen Folgemonats fällig.

(2) Über die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinausgehende Arbeitsstunden können abweichend von Absatz 1 auf der Grundlage schriftlicher einzelvertraglicher oder kollektivrechtlicher Vereinbarungen bis zu einer Obergrenze von 225 Arbeitsstunden in ein Arbeitszeitkonto eingestellt werden. Bei einer Überschreitung dieser Obergrenze gilt für die Fälligkeit des Anspruchs auf Vergütung dieser Arbeitsstunden die jeweilige Regelung nach Absatz 1. Der Ausgleich dieser Arbeitsstunden kann durch Auszahlung des darauf entfallenden Mindestentgelts oder durch bezahlte Freizeitgewährung erfolgen.

(3) Die Obergrenze von 225 Arbeitsstunden nach Absatz 2 Satz 1 gilt nicht, wenn der Ausgleich der über die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinausgehenden Arbeitsstunden zum Ende eines Ausgleichszeitraums mit einer Länge von höchstens 16 Monaten in der Arbeitszeitkontenvereinbarung vereinbart ist. Der Anspruch auf Vergütung von Arbeitsstunden, die in ein Arbeitszeitkonto eingestellt wurden und nicht innerhalb des Ausgleichszeitraums nach Satz 1 ausgeglichen wurden, wird mit Ablauf des für diese Arbeitsstunden geltenden Ausgleichszeitraums fällig.

(4) Vereinbarungen über Wertguthaben auf der Grundlage des Altersteilzeitgesetzes, der §§ 7b und 7e des Vierten Buches Sozialgesetzbuch oder einer im Hinblick auf den Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vergleichbaren ausländischen Regelung bleiben unberührt.

(5) Im Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat der Arbeitgeber die zum Zeitpunkt der Beendigung nicht ausgeglichenen Arbeitsstunden spätestens in dem auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses folgenden Kalendermonat abzugelten.

(6) Die Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes bleiben unberührt.


§4

Mehrurlaub


(1) Die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer hat Anspruch auf zusätzlichen bezahlten Erholungsurlaub, der, ausgehend von einer jahresdurchschnittlichen Verteilung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit auf fünf Tage, im Kalenderjahr 2020 fünf Tage und in den Kalenderjahren 2021 und 2022 jeweils sechs Tage beträgt (Mehrurlaub). Verteilt sich die regelmäßige Arbeitszeit im Jahresdurchschnitt auf mehr oder weniger als fünf Tage in der Woche, erhöht oder verringert sich der Anspruch auf Mehrurlaub entsprechend.

(2) Soweit tarifliche, betriebliche, arbeitsvertragliche oder sonstige Regelungen insgesamt einen über den gesetzlichen Erholungsurlaub hinausgehenden Anspruch auf bezahlten Urlaub vorsehen, entsteht der Anspruch auf Mehr- urlaub nach Absatz 1 nicht. Gesetzlicher Erholungsurlaub ist der bezahlte Urlaub nach dem Bundesurlaubsgesetz sowie nach anderen Gesetzen.

(3) Im Übrigen gelten für den Mehrurlaub nach Absatz 1 die gesetzlichen Bestimmungen.


§5

Ausschlussfrist


Die Ansprüche auf das Mindestentgelt verfallen, wenn sie nicht innerhalb von zwölf Monaten nach ihrer Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden.


§6

Inkrafttreten, Außerkrafttreten


Diese Verordnung tritt rückwirkend zum 1. Mai 2020 in Kraft und am 30. April 2022 außer Kraft.