Gesetz zur Reform der Sterbehilfe

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Gesetz zur Reform der Sterbehilfe
Kurztitel Sterbehilfe-Reformgesetz
Art Bundesgesetz
Geltungsbereich Bundesrepublik Deutschland
Rechtsmaterie Strafrecht
Erlassen am 23. Januar 2021
Inkrafttreten am 23. Januar 2021


Das Gesetz zur Reform der Sterbehilfe sieht die Reform der Sterbehilfe vor. So wurde durch das Gesetz die Straffreiheit für die Hilfe der Selbsttötung besiegelt. Dies erfolgte insbesondere nach einem entsprechenden Urteil des ehemaligen Bundesverfassungsgerichts.

Im Wortlaut

Gesetz zur Reform der Sterbehilfe
(Sterbehilfe-Reformgesetz)


Vom 23. Januar 2021



Artikel 1

Änderung des Strafgesetzbuches



Das Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322) wird wie folgt geändert:

1. In der Inhaltsübersicht wird die Angabe zu § 217 wie folgt gefasst: "§ 217 (weggefallen)".

2. § 217 wird aufgehoben.



Artikel 2

Gesetz über die Straffreiheit der Hilfe zur Selbsttötung



§ 1

Zweck des Gesetzes

Zweck dieses Gesetzes ist es,

1. die Voraussetzungen für die Hilfe zur Selbsttötung zu bestimmen;

2. die rechtlichen Unsicherheiten für Einzelpersonen und Organisationen, die Hilfe zur Selbsttötung leisten,

auszuräumen;

3. für Ärzte klarzustellen, dass sie Hilfe zur Selbsttötung leisten dürfen, und

4. Regeln für Organisationen aufzustellen, deren Zweck es ist, Hilfe zur Selbsttötung zu leisten.


§ 2

Grundsatz der Straffreiheit

(1) Die Selbsttötung ist straflos.

(2) Die Hilfe zur Selbsttötung ist grundsätzlich straflos.


§ 3

Voraussetzungen

(1) Hilfe zur Selbsttötung darf nur dann geleistet werden, wenn der sterbewillige Mensch den Wunsch zur Selbsttötung freiverantwortlich gefasst und geäußert hat.

(2) Wer in organisierter oder geschäftsmäßiger Form Hilfe zur Selbsttötung leistet, muss sich aufgrund eines Beratungsgesprächs (§ 7) des Umstands vergewissert haben, dass der sterbewillige Mensch freiwillig, selbstbestimmt und nach reiflicher Überlegung die Hilfe zur Selbsttötung verlangt.

(3) Zwischen dem Beratungsgespräch und der Hilfeleistung zur Selbsttötung müssen mindestens 14 Tage vergehen.


§ 4

Gewerbsmäßige Hilfe zur Selbsttötung

(1) Wer Hilfe zur Selbsttötung mit der Absicht leistet, sich oder einem Dritten durch wiederholte Hilfehandlungen eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen (gewerbsmäßiges Handeln), wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Die Beihilfe zu einer Tat nach Absatz 1 ist nicht rechtswidrig.



§ 5

Gewerbsmäßige Förderung der Selbsttötung

Wer gewerbsmäßig und in der Absicht, Selbsttötungen zu fördern, Mittel oder Gegenstände, die dazu geeignet sind, in den Verkehr bringt und dadurch einen anderen zur Selbsttötung verleitet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.



§ 6

Ärzte als Helfer zur Selbsttötung

(1) Wer als Arzt von einem sterbewilligen Menschen um Hilfe zur Selbsttötung gebeten wird, hat nicht die Pflicht, dieser Bitte zu entsprechen.

(2) Die Hilfe zur Selbsttötung kann eine ärztliche Aufgabe sein und darf Ärzten nicht untersagt werden. Dem entgegenstehende berufsständische Regelungen sind unwirksam.



§ 7

Beratungspflicht bei organisierter oder geschäftsmäßiger Hilfe zur Selbsttötung

(1) Wer als Arzt um Hilfe zur Selbsttötung gebeten wird und eine solche Hilfe nicht ablehnen will, hat die Pflicht, den sterbewilligen Menschen in einem umfassenden und ergebnisoffenen Beratungsgespräch über seinen Zustand aufzuklären, Möglichkeiten der medizinischen Behandlung und Alternativen zur Selbsttötung – insbesondere palliativmedizinische – aufzuzeigen, weitere Beratungsmöglichkeiten zu empfehlen sowie auf mögliche Folgen eines fehlgeschlagenen Selbsttötungsversuches hinzuweisen. Der Arzt hat den Umfang sowie die Ergebnisse der Beratung schriftlich zu dokumentieren.

(2) Wer als nichtärztlicher Mitarbeiter in einem Hospiz oder einem Krankenhaus um Hilfe zur Selbsttötung gebeten wird und eine solche Hilfe nicht ablehnen will, hat die Pflicht, mit dem sterbewilligen Menschen ein umfassendes und ergebnisoffenes Beratungsgespräch zu führen, Möglichkeiten der medizinischen Behandlung und Alternativen zur Selbsttötung – insbesondere palliativmedizinische – anzusprechen, weitere Beratungsmöglichkeiten zu empfehlen sowie auf mögliche Folgen eines fehlgeschlagenen Selbsttötungsversuches hinzuweisen. Das Beratungsgespräch muss dokumentiert werden. Wer als Mitarbeiter oder als ehrenamtlicher Mitarbeiter in einem Hospiz oder einem Krankenhaus um Hilfe zur Selbsttötung gebeten wurde hat die Pflicht, die Leitung des Hospizes oder der Krankenhausstation unverzüglich darüber zu informieren. Hospize und Krankenhäuser müssen gewährleisten, dass die sterbewillige Person unverzüglich durch einen Arzt gemäß Absatz 1 beraten wird.

(3) Wer geschäftsmäßig Hilfe zur Selbsttötung leistet, ohne Arzt zu sein (Sterbehelfer), und um Hilfe zur Selbsttötung gebeten wird, hat die Pflicht, unverzüglich einen Arzt darüber zu informieren. Erst wenn der sterbewillige Mensch durch einen Arzt gemäß Absatz 1 beraten worden ist, darf der Sterbehelfer ein eigenes Beratungsgespräch führen. In diesem Beratungsgespräch müssen umfassend und ergebnisoffen Möglichkeiten der medizinischen Behandlung und Alternativen zur Selbsttötung – insbesondere palliativmedizinische – angesprochen, weitere Beratungsmöglichkeiten empfohlen und es muss auf mögliche Folgen eines fehlgeschlagenen Selbsttötungsversuches hingewiesen werden. Bei der Beratung durch einen Arzt gemäß Absatz 1 darf der Sterbehelfer nicht anwesend sein. Das Hilfeersuchen, die Information des Arztes und die eigene Beratung des sterbewilligen Menschen müssen dokumentiert werden.

(4) Wer als Mitglied oder als Angestellter einer Organisation, die geschäftsmäßig Hilfe zur Selbsttötung anbietet (Sterbehilfeorganisation), um Hilfe zur Selbsttötung gebeten wird, ohne selber Arzt zu sein, hat die Pflicht, die Leitung der Organisation unverzüglich darüber zu informieren. Sterbehilfeorganisationen müssen gewährleisten, dass die sterbewillige Person unverzüglich durch einen Arzt gemäß Absatz 1 beraten wird. Erst wenn der sterbewillige Mensch durch einen Arzt gemäß Absatz 1 beraten worden ist, darf ein Mitglied oder ein Angestellter der Sterbehilfeorganisation ein eigenes Beratungsgespräch führen. In diesem Beratungsgespräch müssen umfassend und ergebnisoffen Möglichkeiten der medizinischen Behandlung und Alternativen zur Selbsttötung – insbesondere palliativmedizinische – angesprochen, weitere Beratungsmöglichkeiten empfohlen und es muss auf mögliche Folgen eines fehlgeschlagenen Selbsttötungsversuches hingewiesen werden. Bei der Beratung durch einen Arzt gemäß Absatz 1 dürfen keine Mitglieder oder Angestellten der Sterbehilfeorganisation anwesend sein. Das Hilfeersuchen, die Information der Organisationsleitung, die Information des Arztes und die eigene Beratung des sterbewilligen Menschen müssen dokumentiert werden.


§ 8

Dokumentationspflicht bei organisierter oder geschäftsmäßiger Hilfe zur Selbsttötung

Wer in organisierter oder geschäftsmäßiger Form Hilfe zur Selbsttötung leistet, hat die Pflicht, alle dazu notwendigen Handlungen zu dokumentieren. Für Ton- oder Bildaufnahmen ist eine schriftliche Einwilligung des sterbewilligen Menschen erforderlich.



§ 9

Pflichtverletzungen

(1) Wer in organisierter oder geschäftsmäßiger Form Hilfe zur Selbsttötung leistet und dabei

1. entgegen den Voraussetzungen des § 3 handelt,

2. zuvor die Beratungspflicht (§ 7) verletzt oder

3. die Dokumentationspflicht (§ 8 ) verletzt,

wird mit Freiheitsstrafe bis drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Sterbehilfeorganisationen, deren Mitglieder oder Angestellte sich wegen einer Tat gemäß § 4 oder § 5 strafbar gemacht oder eine Pflicht gemäß Absatz 1 verletzt haben, können verboten werden.



§ 10

Durchführungsbestimmungen

(1) Das Bundesministerium für Gesundheit wird ermächtigt, durch Rechtsvorordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere zu regeln. Dies betrifft insbesondere die Anforderungen an

1. Sterbehelfer,

2. Sterbehilfeorganisationen und deren Organisationsstruktur,

3. Verbotsverfügungen gemäß § 9 Absatz 2,

4. Werbeverbote für Hilfeleistungen bei Selbsttötungen,

5. die Merkmale und die Dokumentation eines Beratungsgesprächs,

6. die Dokumentation der Hilfe zur Selbsttötung,

7. Meldepflichten in Fällen, in denen Hilfe zur Selbsttötung geleistet wurde.


.Artikel 3

Inkrafttreten



Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.