Beschluss 3 BvQ 4/20

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Das Oberste Gericht entschied in seinem Beschluss 3 BvQ 4/20 vom 06.01.2021 § 3b der dritten Thüringer Verordnung zur Fortschreibung und Verschärfung außerordentlicher Sondermaßnahmen zur Eindämmung einer sprunghaften Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 in der seit dem 22. Dezember 2020 geltenden Fassung bis zur Entscheidung in der Hauptsache vorläufig außer Vollzug zu setzen.


Begründet wurde dies damit, dass der Antrag im Hauptsacheverfahren offensichtlich begründet sei, da die angegriffene Verordnung offensichtlich gegen das Zitiergebot aus Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG verstoße.


Verfahrensbeteiligte

Antragsteller Antragsgegenstand
Dr. Konrad Wolff § 3b der dritten Thüringer Verordnung zur Fortschreibung und Verschärfung außerordentlicher Sondermaßnahmen zur Eindämmung einer sprunghaften Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 in der seit dem 22. Dezember 2020 geltenden Fassung


Urteil des Obersten Gerichtes

OBERSTES GERICHT


– 3 BvQ 4/20 –



IM NAMEN DES VOLKES



In dem Verfahren
über den Antrag,

im Wege der einstweiligen Anordnung


§ 3b der dritten Thüringer Verordnung zur Fortschreibung und Verschärfung außerordentlicher Sondermaßnahmen zur Eindämmung einer sprunghaften Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 in der seit dem 22. Dezember 2020 geltenden Fassung bis zur Entscheidung in der Hauptsache vorläufig außer Vollzug zu setzen


Antragsteller: Dr. Konrad Wolff



hat das Oberste Gericht – Dritter Senat –

unter Mitwirkung der Richterinnen und Richter


Präsident Brandstätter,


Vizepräsidentin Baumgärtner,


Müller



am 6. Januar 2021 einstimmig beschlossen:



§ 3b der dritten Thüringer Verordnung zur Fortschreibung und Verschärfung außerordentlicher Sondermaßnahmen zur Eindämmung einer sprunghaften Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 vom 22. Dezember 2020 wird bis zur Entscheidung in der Hauptsache außer Vollzug gesetzt.




G r ü n d e :


Gegenstand des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist § 3b der dritten Thüringer Verordnung zur Fortschreibung und Verschärfung außerordentlicher Sondermaßnahmen zur Eindämmung einer sprunghaften Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 in der seit dem 22.12.2020 geltenden Fassung



A.


I.


Am 22. Dezember 2020 veröffentlichte der Ministerpräsident des Freistaates Thüringen im Gesetzes- und Verordnungsblatt des Freistaates Thüringen die "Dritte Thüringer Verordnung zur Fortschreibung und Verschärfung außerordentlicher Sondermaßnahmen zur Eindämmung einer sprunghaften Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2". Der Wortlaut der angegriffenen Einzelnorm (§ 3b) lautet wie folgt:


" §3b - Ausgangsbeschränkung


(1) Das Verlassen der Wohnung oder Unterkunft ist mit Ablauf des 15. Dezember 2020 in der Zeit von 22 Uhr bis 5 Uhr des Folgetages ohne triftigen Grund untersagt.

(2) Triftige Gründe im Sinne des Absatzes 1 sind insbesondere:

  1. die Abwendung einer Gefahr für Leib oder Leben, medizinische Notfälle, insbesondere bei akuter körperlicher oder seelisch-psychischer Erkrankung, bei Verletzung oder bei Niederkunft,
  2. die notwendige Pflege und Unterstützung kranker oder hilfsbedürftiger Menschen sowie die notwendige Fürsorge für minderjährige Menschen,
  3. die Begleitung sterbender Menschen und von Personen in akut lebensbedrohlichen Zuständen,
  4. die Wahrnehmung eines Umgangs- oder Sorgerechts,
  5. der Besuch von Ehe- und Lebenspartnern sowie Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft
  6. dienstliche, amtliche oder sonstige hoheitliche Tätigkeiten, insbesondere der Feuerwehren, der Rettungsdienste oder des Katastrophenschutzes, sowie die öffentlich-rechtliche Leistungserbringung,
  7. die Ausübung beruflicher Tätigkeiten und kommunalpolitischer Funktionen einschließlich des hierfür erforderlichen Weges zur Notbetreuung nach § 10 Abs. 4 Satz 1 oder Abs. 5 Satz 3,
  8. die Abwendung von Gefahren für Besitz und Eigentum,
  9. die notwendige Versorgung von Tieren sowie veterinärmedizinischer Notfälle,
  10. die Jagd zur Vorbeugung und Bekämpfung der Afrikanischen Schweinepest,
  11. die Durchfahrt durch Thüringen im überregionalen öffentlichen Personenverkehr oder in Kraftfahrzeugen,
  12. die Teilnahme an besonderen religiösen Zusammenkünften anlässlich hoher Feiertage,
  13. der Schutz vor Gewalterfahrung sowie
  14. weitere wichtige und unabweisbare Gründe.

Absatz 1 gilt nicht im Zeitraum

  1. vom 24. Dezember 2020 bis zum Ablauf des 26. Dezember 2020 sowie
  2. von 22 Uhr des 31. Dezember 2020 bis einschließlich 3 Uhr des Folgetages.

(3) Wird der Inzidenzwert von 200 Neuinfektionen auf 100 000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen in Thüringen an fünf aufeinanderfolgenden Tagen unterschritten, können die unteren Gesundheitsbehörden von den Ausgangsbeschränkungen abweichende Allgemeinverfügungen erlassen, wenn der Inzidenzwert von 200 Neuinfektionen auf 100 000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen im Landkreis oder der kreisfreien Stadt an fünf aufeinanderfolgenden Tagen unterschritten wird und die Ausgangsbeschränkung nicht weiterhin zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie erforderlich ist. Maßgeblich für den Inzidenzwert nach Satz 1 sind die veröffentlichten Zahlen des tagesaktuellen Lageberichts des Robert Koch-Instituts."





II.


Die Anträge seien zulässig.


1. a) Der Antragsteller sei antragsberechtigt, was sich aus §§ 6 Abs. 1 Nr. 6, 7, 20 OGG ergebe. Nach diesen Vorschriften sei der Kreis der Antragsteller ausdrücklich nicht auf den Bundestag, die Bundesregierung oder eine Landesregierung beschränkt. Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG sei insoweit lediglich als Mindestenumeration und nicht als abschließende Regelung zu verstehen. Diese ausdrückliche Möglichkeit sehe auch Art. 93 Abs. 3 GG vor.


b) Das Beschwerdebefugnis sei ebenso zu bejahen, da sonst die Klärung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung unterbleiben würde. Das objektive Klarstellungsinteresse sei erst recht gegeben, weil dies gar keine individuelle Beschwerde voraussetze.



2. Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung sei zur Abwehr schwerer Nachteile geboten. Nähere Ausführungen zur Zulässigkeit des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung macht der Antragsteller nicht.


Die derzeit stattfindenden verfassungswidrigen Beeinträchtigungen grundrechtlich geschützter Freiheiten seien irreversibel und massiv. Die Ausgangssperre sei dazu von keinem echten Nutzen getragen, so dass auch nach der Doppelhypothese antragsgerecht zu entscheiden sei. Ein besonders strenger Maßstab, wie ihn das OG sonst bei der vorläufigen Außervollzugsetzung von Rechtsnormen fordert, sei unstatthaft, weil es sich um eine untergesetzliche Norm handelt, die von jedem Gericht verworfen werden könne. Erlassen wurde die Norm nicht von einem Gesetzgeber, sondern einer Verwaltungsbehörde. Dementsprechend seien mit der antragsgemäßen Entscheidung des OG keine Eingriffe in die Zuständigkeiten anderer Verfassungsorgane oder die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers zu besorgen.



B.


Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat Erfolg.



I.


Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig. Der Hauptsacheantrag ist offensichtlich zulässig.



1. Die Zuständigkeit des Obersten Gerichts für abstrakte Normkontrollverfahren ergibt sich aus § 6 Abs. 1 Nr. 6 OGG, jenes für die Popularklage aus § 6 Abs. 1 Nr. 17 OGG. Die erforderliche Antragsform gem. § 12 Abs. 1 OGG ist gewahrt. Es liegt auch ein statthafter Antragsgrund vor.


2. Die Antragsberechtigung des Antragstellers im Hauptsacheverfahren ist gegeben. Auch wenn sich die Antragsberechtigung des Antragstellers mithin nicht zweifelsfrei aus Art. 93 Nr. 2 GG, §§ 6 Abs. 1. Nr. 6, 7, 20 ergibt, so ist der Antragsteller jedenfalls gem. Art. 93 Abs. 3 GG, §§ 6 Abs. 1 Nr. 17, 7, 26 OGG antragsberechtigt. Der Gesetzgeber hat in § 6 Abs. 1 Nr. 17 OGG willentlich die Möglichkeit einer objektiven Beanstandungsklage für jedermann geschaffen und von seiner Kompetenz Gebrauch gemacht, dem Obersten Gericht auch die Zuständigkeit für die Popularklage zuzumessen. Der Kreis der Antragsteller wird dabei im Oberstes-Gericht-Gesetz nicht beschränkt, sodass § 7 diesen abschließen regelt und zweifelsfrei Anwendung zu finden hat, woraus die Klageberechtigung für jedermann resultiert. Der Antragsteller ist bezüglich der Popularklage i.S.d. Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG, § 6 Abs. 1 Nr. 6 OGG somit jedenfalls antragsberechtigt (OGE 2, 2 <5>).


3. Die Antragsbefugnis des Antragstellers im Hauptsacheverfahren ist gegeben. Er zweifelt die sachliche Vereinbarkeit der angegriffenen Rechtsnorm (Landesrecht) mit dem Grundgesetz an. Weiter hält er die angegriffene Norm für nichtig. Dies indiziert das besondere objektive Klarstellungsinteresse (BVerfGE 6, 104 <110>; 52, 63 <80>; 88, 203 <334>; 96, 133 <137>; 100, 249 <257>; 101, 1 <30>; 103, 111 <124>; 106, 244 <250 f.>; 108, 169 <178>; 110, 33 <44 f.>; 113, 167 <193>; 119, 394 <409 f.>; 127, 293 <319>; 128, 1 <32>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 19. September 2018 - 2 BvF 1/15, 2 BvF 2/15 -, Rn. 138) des Antragstellers. Ein solches Interesse liegt schon dann vor, wenn der Antragsteller von der Unvereinbarkeit der Norm mit höherrangigem Recht überzeugt ist.



II.


Der Hauptsacheantrag ist offensichtlich begründet. Dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist somit stattzugeben.



1. a) aa) Das Oberste Gericht kann im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist (§ 15 Abs. 1 OGG). Im Eilrechtsschutzverfahren sind die erkennbaren Erfolgsaussichten einer Verfassungsbeschwerde zu berücksichtigen, wenn absehbar ist, dass über eine Verfassungsbeschwerde nicht rechtzeitig entschieden werden kann. Ergibt die Prüfung im Eilrechtsschutzverfahren, dass eine Verfassungsbeschwerde offensichtlich begründet wäre, läge in der Nichtgewährung von Rechtsschutz der schwere Nachteil für das gemeine Wohl (vgl. BVerfGE 111, 147 <153>).


bb) Das Oberste Gericht kann im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Im Eilrechtsschutzverfahren sind die erkennbaren Erfolgsaussichten einer Verfassungsbeschwerde zu berücksichtigen, wenn absehbar ist, dass über eine Verfassungsbeschwerde nicht rechtzeitig entschieden werden kann. Ergibt die Prüfung im Eilrechtsschutzverfahren, dass eine Verfassungsbeschwerde offensichtlich begründet wäre, läge in der Nichtgewährung von Rechtsschutz der schwere Nachteil für das gemeine Wohl (vgl. BVerfGE 111, 147 <153>). Diese Grundsätze sind entsprechend auf das abstrakte Normkontrollverfahren anzuwenden.



b) aa) Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG dazu verpflichtet dazu, nicht nur das Gesetzeswerk anzugeben, in dem sich die Ermächtigungsgrundlage findet, sondern auch die einzelne Vorschrift des Gesetzes, in welcher die Ermächtigung enthalten ist. Außerdem muss eine Verordnung, die auf mehreren Ermächtigungsgrundlagen beruht, diese vollständig zitieren und bei inhaltlicher Überschneidung mehrerer Ermächtigungsgrundlagen diese gemeinsam angeben. Der Verordnunggeber ist nicht frei, von mehreren Ermächtigungsgrundlagen, auf denen die Verordnung beruht, nur eine zu benennen. Ohne Angabe der weiteren Ermächtigungsgrundlagen weist der Verordnunggeber seine Rechtsetzungsbefugnis nicht vollständig nach (vgl. BVerfGE 101, 1 <42, 44>; 136, 69 <113 Rn. 99> m.w.N.).


bb) Das Zitiergebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG fördert im gewaltenteilenden System des Grundgesetzes die vergewissernde Selbst- und die Fremdkontrolle des Verordnunggebers und hat rechtsschützende Funktion. Es zwingt den Verordnunggeber, festzulegen, von welcher Verordnungsermächtigung er Gebrauch macht. Der Verordnung kann nicht im Nachhinein eine weitere oder eine andere Verordnungsermächtigung unterlegt werden. Ihre Rechtmäßigkeit bemisst sich vielmehr an der vom Verordnunggeber selbst benannten Ermächtigung. Die Festlegung und die Angabe der Verordnungsermächtigung machen den gesetzlichen Ermächtigungsrahmen transparent und fördern so die interne und externe Überprüfung, ob sich die Verordnung im Rahmen der erteilten Ermächtigung hält: Der Verordnunggeber wird durch die Pflicht zur Angabe der Ermächtigungsgrundlage angehalten, sich selbst der Reichweite seiner Rechtsetzungsbefugnis zu vergewissern. Der Öffentlichkeit, den von der Verordnung Adressierten und den Gerichten wird die Prüfung erleichtert, ob die getroffenen Regelungen den gesetzlichen Ermächtigungsrahmen wahren (vgl. BVerfGE 101, 1 <42>; 136, 69 <113 Rn. 99> m.w.N.; stRspr).


cc) Eine Missachtung des Zitiergebots verletzt ein "unerlässliches Element des demokratischen Rechtsstaates" (vgl. Bartlsperger, Zur Konkretisierung verfassungsrechtlicher Strukturprinzipien, VerwArch 58 <1967>, S. 249 ff. <270>). Ein solcher Mangel führt deshalb zur Nichtigkeit der Verordnung (vgl. Wilke in: v. Mangoldt/Klein, Bonner Grundgesetz, 2. Aufl. 1969, Art. 80 Anm. XI. 2 d; Nierhaus, a.a.O., Rn. 328 <"formelle Wirksamkeitsvoraussetzung">; Bauer in: Dreier <Hrsg.>, 1700 Grundgesetz, Kommentar, Bd. 2 1998, Art. 80 Rn. 43; Ossenbühl in: HStR III, § 64 Rn. 65).




2. Die angegriffene Verordnung ist offensichtlich formell verfassungswidrig zustande gekommen.



a) Eine Abwägung der Folgen durch das Oberste Gericht ist bei der Prüfung eines Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung grundsätzlich vorzunehmen, wenn der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen ist oder erscheint. Ist der Antrag im Hauptsacheverfahren jedoch offensichtlich begründet, so ist dem Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Anordnung grundsätzlich stattzugeben, wenn dadurch das begehrte Rechtschutzziel bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren erwirkt werden kann (OGE 1, 37 <42>).


aa) Ist die Verfassungswidrigkeit einer Rechtsnorm gegeben, so ist sie durch das Oberste Gericht für nichtig zu erklären. Eine solche Rechtsfolge kann im Wege der einstweiligen Anordnung grundsätzlich nicht erwirkt werden, da dies einen endgültig und irreversibel geregelten Zustand schaffen und zugleich die Vorausnahme der Hauptsache darstellen würde. Jedoch kann das Oberste Gericht die besagte Norm bis zur Entscheidung in der Hauptsache außer Vollzug setzen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderem wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Ist eine Rechtsnorm offensichtlich verfassungswidrig, so würde es einen in einem Rechtsstaat nicht tragbaren Zustand darstellen, wenn das Oberste Gericht die besagte Norm nicht außer Vollzug setzen würde, sofern ein geeigneter Antrag vorliegt. Insoweit würde das Ablehnen eines solchen Antrages bei der offensichtlichen Verfassungswidrigkeit einer Rechtsnorm einen schweren Nachteil i.S.d. § 15 Abs. 1 OGG für das 1725 gemeine Wohl darstellen. Allenfalls handelt es sich bei dem Außervollzugsetzen einer offensichtlich verfassungswidrigen Rechtsnorm um einen wichtigen Grund zur Wahrung der Glaubwürdigkeit der Verfassungsrechtsprechung bzw. des Obersten Gerichts. Der Verlust jener Glaubwürdigkeit würde wiederum einen schweren Nachteil für das gemeine Wohl darstellen (OGE 1, 37 <42>).


bb) Aus dem vorliegenden Antrag geht hervor, dass dieser darauf abzielt, den Antragsgegenstand im Wege des einstweiligen Rechtschutzes vorläufig und bis zur Entscheidung in der Hauptsache außer Vollzug zu setzen. Das Begehren des Antragstellers stellt somit einen tauglichen Grund dar, um das insgesamt begehrte Rechtsschutzziel bis zur Entscheidung in der Hauptsache zu erwirken. Ist der Hauptsacheantrag somit offensichtlich begründet, so ist auch dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stattzugeben und der Antragsgegenstand bis zur Hauptsacheentscheidung außer Vollzug zu setzen. Eine offensichtliche Begründetheit des Hauptsacheantrages liegt insoweit vor, wenn die angegriffene Rechtsverordnung offensichtlich verfassungswidrig ist (OGE 1, 37 <42>).



b) Die als Antragsgegenstand vorliegende Verordnung beinhaltet weder eine Nennung des Gesetzes, noch der entsprechenden Vorschriften auf welchen eine für das Erlassen einer Verordnung benötigte Ermächtigungsgrundlage beruht. Die Frage, welche Vorschrift welches Gesetzes als Ermächtigungsgrundlage für die angegriffene Landesverordnung dienen kann, kann dabei offenbleiben, da durch das Fehlen jeglicher Zitierung einer solchen Ermächtigungsvorschrift die Verfassungswidrigkeit der Verordnung aufgrund der offensichtlichen Missachtung des Art. 80 Abs. 1 S. 3 GG bereits gegeben ist. Hieraus ergibt sich, dass der Antrag im Hauptsacheverfahren offensichtlich begründet und dem Antrag auf einstweilige Anordnung somit stattzugeben ist. (OGE 1, 37 <42>)



Brandstätter | Baumgärtner | Müller


Einzelnachweise